Samstag, 10. September 2016

Die Unvollkommenheit der Liebe - Elizabeth Strout

Ein betroffen machendes Buch, das zeigt, wie Menschen sich nahe sind und es nicht offen zeigen können.



Elizabeth Strouts Roman "Die Unvollkommenheit der Liebe" erscheint 2016 im Luchterhand Verlag.


In "Die Unvollkommenheit der Liebe" befindet sich die Ich-Erzählerin Lucy Barton im Krankenhaus in Manhattan. Sie hat nach einer Blinddarmoperation eine rätselhafte Infektion in ihrem Körper, die lebensgefährliche Züge annimmt. Neun Wochen verbringt sie im Krankenhausbett und erzählt rückblickend ihre Geschichte. Eines Tages sitzt ihre Mutter an ihrem Bett und das, obwohl sie es war, die den Kontakt abgebrochen hatte. In ihren Gesprächen kommen sie sich zwar nicht nahe wie unter Mutter und Tochterüblich wäre, aber sie nähern sich an und man merkt, wie die Mutter für ihre Tochter dasein möchte. Fast so, als ob sie eine Schuld begleichen möchte.





Dabei erfahren wir als Leser die Familienzusammenhänge, sehen die ärmliche Kindheit von Lucy und ihren beiden Geschwistern und erkennen, wie wenig Zeit ihre Eltern neben ihrer Arbeit für die Kinder hatten. Es wird deutlich, in der Familie herrschte ein rauher Ton, Schimpftiraden waren üblich und auch Schläge wurden zur Erziehung eingesetzt. Außerdem fehlte es an Nahrungsmitteln und so kam es, dass Lucy auch schon mal in Mülltonnen nach Essbarem suchen musste. 

Dabei zeigt sich von Lucy das Bild einer Frau und Mutter, die immer noch an Ängsten leidet und vielleicht mal eine Therapie machen müsste. Die Mutter, obwohl selbst keine Übermutter, kritisiert ihre Tochter selbst im Krankenhaus und deren beruflichen Erfolg, sie ist Schriftstellerin, erkennt sie überhaupt nicht an. Sie kann mit dieser Art von Leben nichts anfangen und Lucy ist sich ihrer Persönlichkeit gar nicht richtig bewusst. Sie wirkt manchmal wie ein kleines Kind, das unsicherist und auf der Suche nach mütterlicher Liebe ist.

Doch ihre Mutter versteht diese Signale nicht, geht auch nicht mit besonderer Zuneigung und körperlichem Kontakt darauf ein. Statt dessen beschreibt sie einer Klatschzeitung gleich, die kaputten Beziehungen gemeinsamer Bekannter aus der Heimat und merkt dabei gar nicht, wie sie selbst in einer problematischen Ehe gefangen ist. Sie kann nicht aussprechen, was sie für ihre Tochter empfindet. Sie kann keine Nähe aufbauen. Sie interessiert sich nicht einmal für ihre Großtöchter.

Dabei stellt man sich immer wieder die Frage, ob zu den Misshandlungen durch den Vater auch noch Missbrauch im Spiel war. 

Eine Schlüsselrolle kommt nach dem Krankenhausaufenthalt einer New Yorker Autorin namens Sarah Payne zu. Sie ist es, die Lucy zum Schreiben ermuntert. 

Dieser Roman spricht Themen an, verschweigt aber die ganze Wahrheit, alles wird nur angedeutet, man ahnt mehr als man sicher weiß. 

Sprachlich hat sich Strout hier kein Denkmal gesetzt. Sie, die sonst so brillant formuliert und poetisch erzählen kann, hat die Schreibleistung auf ein Mittelmaß zurückgefahren. Man ahnt mehr als man liest, so wird aus Bruchstücken ein ganzes Bild einer zerbrochenen Familie. 



Dieser Roman hat mich betroffen gemacht, denn er zeigt, wie Menschen sich nicht annähern können und Probleme nicht angesprochen werden. Solche Romane bedrücken mich und mir fehlt hier etwas entscheidendes: die Aussprache.


 ***Leseexemplar von bücher.de aus der Buchflüsterergruppe - Vielen Dank für die Bereitstellung des Buches!***





2 Kommentare:

  1. Deine Rezension zum Buch finde ich mega interessant. Das Buch zeigt irgendwie ,wie manche Familien irgendwie leben. Die Beschreibung vom Buch hat mich direkt an ein paar Menschen erinnert, die ebenfalls so ein ähnliches Verhalten aufweisen. Zum einem, dass nicht über Probleme gesprochen wird.😊

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  2. Es gibt immer wieder Menschen, die so nebeneinander her leben!
    LG Barbara

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