Fremd und ohne Perspektive
Einfach geschrieben, aber dennoch mit tiefer Aussage über traurige Schicksale in unserer Gesellschaft!
Von Michael Köhlmeier stammt das Buch Das Mädchen mit dem Fingerhut, es erscheint im Carl Hanser Verlag.
Yiza
ist heimatlos und lebt allein auf der Strasse. Vielleicht ist sie als
Flüchtling auf der Suche nach einem besseren Leben nach Westeuropa
gekommen, auf jeden Fall sucht sie eine neue Heimat. Mitleidige
Menschen versorgen sie mit Essen und Trinken und sie schliesst sich bald
zwei Jungen an, die ein gleiches Schicksal haben. Allerdings können
sich nicht alle in einer ihnen bekannten Sprache unterhalten, nur der
älteste Junge Schamhan versteht die beiden kleineren Kinder Yiza und
Arian.
Arian ist der Kapitän. Er geleitet das Schiff zu den
Freunden und in den Sommer. Die Freunde, das sind eine Horde von
Zerlumpten, die bereits zu alt sind für Mitleid und Rührung." Zitat S.
140
In diesem Buch greift Michael Köhlmeier die
aktuelle Thematik der allein reisenden Flüchtlingskinder auf, die uns in
Westeuropa zur Zeit der Flüchtlingsströme intensiv beschäftigt. Er
zeichnet ein Bild unserer derzeitigen Gesellschaft auf, das betroffen
macht und ratlos zurück lässt.
Man erlebt ein Mädchen irgendwo in
Westeuropa, das Tag für Tag darauf angewiesen ist, Nahrung von
hilfsbereiten Menschen zu bekommen, deren fremde Sprache sie nicht
versteht. Sie schliesst sich zwei Jungen an, die ebenfalls allein und
ohne Obdach leben. Woher die Kinder kommen wird nicht klar, sie stehen
für die vielen ungenannten Flüchtlingskinder abseits der Hilfsprogramme.
In der kleinen Gemeinschaft übernimmt Shamhan, ein 14-jähriger
Junge die Rolle des Anführers und sorgt bedingungslos für die Jüngeren.
Trotz Sprachbarrieren untereinander kommen sie wie in einer Familie
miteinander klar und stehen füreinander ein. Es ist Winter und gemeinsam
versuchen sie ihre Grundbedürfnisse nach Nahrung und einer warmen
Zuflucht in der Nacht zu erfüllen. Allerdings scheren sie sich nicht um
Recht und Anstand, sondern sie stehlen, betteln und brechen in fremde
Häuser ein. Doch woher sollen sie Regeln und Gesetze kennen und achten,
wenn sie um ihr Überleben kämpfen und keine Erwachsenen sie anleiten und
ihnen Werte vorleben.
Die Sprache ist nüchtern, knapp und sehr
einfach gehalten. Kurze Sätze versinnbildlichen die Sprachlosigkeit und
Fremdheit der Kinder in dieser fremden Welt. Man glaubt Yiza sprechen zu
hören.
Michael Köhlmeier schafft mit seinem Buch eine
berührende Geschichte, die mich traurig macht, fassungslos, wütend und
gleichzeitig ratlos zurück lässt. Die Schicksale der Kinder machen
betroffen, aber gleichzeitig auch Angst, wenn man die aktuelle Situation
begreift. Denn auch die Polizei, Sozialarbeiter in Jugendheimen und
hilfsbereite Menschen können an der Überlebensmentalität der Kinder in
der Geschichte scheinbar nichts ändern. Eine Kriminalisierung scheint
vorprogrammiert zu sein.
Ein gesundes Miteinander oder
Integration kann man nicht verordnen, so wie es zur Zeit die Politiker
gerne darstellen. Die Einbindung muss auch gewollt werden. Bei diesen
Jugendlichen scheint es nicht zu klappen, obwohl helfende Hände sich
ihnen entgegenstrecken.
Ein nachdenklich machendes
Buch über die derzeitige Flüchtlingsproblematik Minderjähriger. Es macht
die schwierige Situation beider Seiten eindringlich bewusst.
***Leserundenexemplar von Vorablesen - Vielen Dank
an den Hanser Verlag für die Bereitstellung des Buches! ***
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ab dem 25. Mai tritt die neue Verordnung der DSGVO (Datenschutzgrundverordung) in Kraft.
Mit Absenden eines Kommentars erklärst Du Dich einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden .
Weitere Informationen von Google und die Datenschutzerklärung findest Du hier :
https://policies.google.com/privacy?hl=de