Montag, 1. Februar 2016

Das Mädchen mit dem Fingerhut - Michael Köhlmeier

Fremd und ohne Perspektive

Einfach geschrieben, aber dennoch mit tiefer Aussage über traurige Schicksale in unserer Gesellschaft! 

Von Michael Köhlmeier stammt das Buch Das Mädchen mit dem Fingerhut, es erscheint im Carl Hanser Verlag.

Yiza ist heimatlos und lebt allein auf der Strasse. Vielleicht ist sie als Flüchtling auf der Suche nach einem besseren Leben nach Westeuropa gekommen, auf jeden Fall sucht sie eine neue Heimat. Mitleidige Menschen versorgen sie mit Essen und Trinken und sie schliesst sich bald zwei Jungen an, die ein gleiches Schicksal haben. Allerdings können sich nicht alle in einer ihnen bekannten Sprache unterhalten, nur der älteste Junge Schamhan versteht die beiden kleineren Kinder Yiza und Arian. 


Arian ist der Kapitän. Er geleitet das Schiff zu den Freunden und in den Sommer. Die Freunde, das sind eine Horde von Zerlumpten, die bereits zu alt sind für Mitleid und Rührung." Zitat S. 140

 
In diesem Buch greift Michael Köhlmeier die aktuelle Thematik der allein reisenden Flüchtlingskinder auf, die uns in Westeuropa zur Zeit der Flüchtlingsströme intensiv beschäftigt. Er zeichnet ein Bild unserer derzeitigen Gesellschaft auf, das betroffen macht und ratlos zurück lässt.

Man erlebt ein Mädchen irgendwo in Westeuropa, das Tag für Tag darauf angewiesen ist, Nahrung von hilfsbereiten Menschen zu bekommen, deren fremde Sprache sie nicht versteht. Sie schliesst sich zwei Jungen an, die ebenfalls allein und ohne Obdach leben. Woher die Kinder kommen wird nicht klar, sie stehen für die vielen ungenannten Flüchtlingskinder abseits der Hilfsprogramme.
In der kleinen Gemeinschaft übernimmt Shamhan, ein 14-jähriger Junge die Rolle des Anführers und sorgt bedingungslos für die Jüngeren. Trotz Sprachbarrieren untereinander kommen sie wie in einer Familie miteinander klar und stehen füreinander ein. Es ist Winter und gemeinsam versuchen sie ihre Grundbedürfnisse nach Nahrung und einer warmen Zuflucht in der Nacht zu erfüllen. Allerdings scheren sie sich nicht um Recht und Anstand, sondern sie stehlen, betteln und brechen in fremde Häuser ein. Doch woher sollen sie Regeln und Gesetze kennen und achten, wenn sie um ihr Überleben kämpfen und keine Erwachsenen sie anleiten und ihnen Werte vorleben.

Die Sprache ist nüchtern, knapp und sehr einfach gehalten. Kurze Sätze versinnbildlichen die Sprachlosigkeit und Fremdheit der Kinder in dieser fremden Welt. Man glaubt Yiza sprechen zu hören. 

Michael Köhlmeier schafft mit seinem Buch eine berührende Geschichte, die mich traurig macht, fassungslos, wütend und gleichzeitig ratlos zurück lässt. Die Schicksale der Kinder machen betroffen, aber gleichzeitig auch Angst, wenn man die aktuelle Situation begreift. Denn auch die Polizei, Sozialarbeiter in Jugendheimen und hilfsbereite Menschen können an der Überlebensmentalität der Kinder in der Geschichte scheinbar nichts ändern. Eine Kriminalisierung scheint vorprogrammiert zu sein.

Ein gesundes Miteinander oder Integration kann man nicht verordnen, so wie es zur Zeit die Politiker gerne darstellen. Die Einbindung muss auch gewollt werden. Bei diesen Jugendlichen  scheint es nicht zu klappen, obwohl helfende Hände sich ihnen entgegenstrecken.

Ein nachdenklich machendes Buch über die derzeitige Flüchtlingsproblematik Minderjähriger. Es macht die schwierige Situation beider Seiten eindringlich bewusst.  


 ***Leserundenexemplar von Vorablesen - Vielen Dank
             an den Hanser Verlag für die Bereitstellung des Buches!
***



                            

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