Torten statt Liebe
Das Tortenprotokoll ist das Debüt der österreichischen Autorin Marianne Jungmaier.
Der Roman erscheint 2015 im Verlag Kremayr & Scheriau. [Werbung]
Friederike geht zum Studium aus dem Dorf nach Berlin. Mit diesem Schritt flieht sie vor einem nicht gerade liebevollen Elternhaus.
Es erreicht sie die Nachricht vom Tod ihrer Großmutter und sie macht sich auf den Weg in die Heimat.
Dort ist alles wie früher, es empfängt sie die emotionale Kälte ihrer Eltern und sie trifft ihre Jugendliebe Tobias. Mit ihm geht sie auf Spurensuche im Haus ihrer Großmutter und erinnert sich an ihre Kindheit mit gelebter österreichischer Küche und kindlich unbefangener Sorglosigkeit.
Sie findet das ihr vertraute Torten-protokoll ihrer Großmutter und macht eine ganz eigene Entdeckung. Kannte sie ihre Oma wirklich?
"Sie radieren sie aus. Noch bevor es Zeit ist, machen sie sie zu einem Stück Vergangenheit. Dabei ist sie nur zur Seite getreten, so wie man einen Wagen passieren lässt, der einem zu nahe kommt." Zitat Seite 107
Dieser Roman erzählt vom Ableben der gleichnamigen Großmutter Friederikes und stellt eine ungewöhnliche Mischung aus Familiengeschichte und coming-of-age Roman dar. Einerseits ist Enkelin Friederike schon erwachsen, andererseits ist sie erfüllt von Erinnerungen an ihre Kindheit und Tage mit ihrer Großmutter. Sie versucht zu verstehen, warum ihre Bindung an die Heimat nicht dauerhaft stark ist und woran die Beziehung mit ihrer Familie zerbrach. Die Zeit ihres Besuches ist eine Zeit des Auseinandersetzens mit ihrer Vergangenheit und der Bindung an die Heimat.
In dieser Familie wurde mehr gebacken und gekocht als geherzt und gelacht, das wird schnell deutlich. Auch der Empfang durch ihre Eltern nach ihrer Rückkehr anlässlich der Beerdigung fällt kühl und distanziert aus. Für Trauer und Tränen ist hier kein Platz. Die Vorbereitungen für die Beerdigung laufen an und Friederikes Jugendliebe und bester Freund Tobias räumen im Haus der Großmutter auf. Dann entdecken sie Liebesbriefe, die von einem unerfüllten Leben ihrer Oma erzählen und einer Liebe, die sie der Familie wegen nicht offen ausgelebt hatte.
Es ist erstaunlich zu lesen, wie in dieser Familie trotz der aufwändig gelebten Koch- und Backkultur die emotionale Kälte zwischen den einzelnen Familienmitliedern zu spüren ist und keine Nähe aufkommt. Auch für Tränen ist kein Platz. Da wird lieber geputzt oder aufgeräumt als die Tote beweint. Was mit gemeinsamen Essen ausgeglichen werden soll, klappt zwischenmenschlich nicht. Hier bleibt man auf Distanz und zeigt keine Gefühle.
Erst jetzt versteht Friederike ihren Aufbruch in die Großstadt wirklich. Sie musste sich von diesem Leben lösen und damit auch von ihrem Freund Tobi, der nicht bereit war ihr zu folgen. Nur ein
Marianne Jungmaier benutzt hier sprachlich einen ganz eigenen Stil. Sie malt mit Beschreibungen und Aufzählungen eine Atmosphäre herbei, die ganze Stimmungen enthält ohne direkt zu sein. Dabei schwelgt ihre Protagonistin in wohligen Gerüchen und dem Geschmack von Kuchen und Torten ihrer Oma. Sie beschreibt deren Haut, die Haare, jedes Detail der alten Frau, das ihr in Erinnerung geblieben ist. Sie möchte sich noch einmal verabschieden, doch als sie merkt, das die sich für die Familie aufopfernde Oma ihre eigene, ihr unbekannte Geschichte besitzt, geht auch diese Nähe verloren.
Dieser Roman ist ganz erstaunlich geschrieben. Marianne Jungmaier benutzt Worte, die Stimmungen von einer Kindheit ohne elterliche Liebe beschreiben, dafür aber mit einer Großmutter, bei der man sein durfte wie man war.
***Rezensionsexemplar von lovelybooks -
Vielen Dank für das Leseexemplar!***
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