Alte Liebe macht jung
Ingrid Nolls Roman Kalt ist der Abendhauch veröffenlichte der Diogenes Verlag 1996.
Charlotte
Schwab ist bereits 83 Jahre alt, aber aufgeregt wie ein junges Mädchen,
denn ihre Jugendliebe Hugo kommt zu Besuch! Dafür muss ihr Enkel noch
schnell renovieren und Charlotte plaudert
aus dem Nähkästchen.
Leider wurde diese Liebe nicht mit einer Hochzeit gekrönt. Hat diese
Liebe jetzt zum Lebensabend noch eine Chance?
Zitat S. 181:
Hugo und ich plaudern genussvoll über
exclusive Details aus unseren verflossenen Eheleben, wobei wir die
Regel, über Tote nur Gutes zu sagen, geflissentlich missachten.
Und
wieder hat es Ingrid Noll geschafft, mich mitzureißen und eine
interessante Person zu beschreiben. Was sich so in Charlottes Leben
alles ereignet hat, erzählt die Autorin auf unglaublich frische Weise.
Ironisch, humorvoll und auch sarkastisch. Toll!
Es ist wieder
ein großer Genuss, eine Person wie Charlotte kennen zu lernen. Man merkt
wie faustdick es diese alte Dame hinter den Ohren hat. Denn der Besuch
von Hugo, ihrem Freund, Schwager und zeitweiligem Geliebten lässt die
beiden Jugendfreunde über alte Zeiten plaudern und dabei werden dunkle
Geheimnisse gelüftet, die man so nicht erwartet hat. Natürlich spielt
wie immer bei Ingrid Noll hier eine Frau die Rolle der Mörderin eines
Mannes, dessen Tod man aus Lesersicht
gut verkraften kann und man hat vollstes Verständnis für die Beweggründe Charlottes.
Hier
werden alte Menschen aus einer Perspektive jenseits von verkalkten,
friedfertigen und geduldsamen Menschen ohne eigene Wünsche dargestellt.
Man hat es vielmehr mit einer Heldin zu tun, die ironisch auf ihre
Jugend, die Liebe und ihre eigene Nachkommenschaft schaut. Sie
reflektiert das Gewesene, erklärt die schwierige Zeit um 1945 und
folgende Jahre, in der ihr Ehemann Bernhard als Kriegsheimkehrer in ihr
Leben unerwartet zurück kehrte. Sie zeigt aber auch ihre jetzigen
Wünsche für ihren Lebensabend, nimmt kein Blatt vor den Mund was die
Sexualität angeht und zeigt mit ironischer Weise wie sie die Welt sieht.
Amüsant
ist auch die Rolle der Enkelin dargestellt, die nicht nur äußerlich,
sondern auch mit ihrer speziellen Art ihrer Großmutter nacheifert. Mehr
kann ich hier nicht verraten!
Die raffinierte Erzählweise Ingrid
Nolls hat mich auch bei diesem Roman wieder erfreut und wie sie
Familiengeheimnisse erfindet, sie literarisch leicht zu einer komplexen
Handlung umsetzt und dabei einfach nur gut unterhält ist
anerkennenswert.
Eine brillant geschriebene Erzählung,
die tief in verschiedene Generationen hineinleuchtet und mit leichter
Ironie und etwas schwarzem Humor gut unterhält.
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