Die bewegende Schilderung einer Familie zwischen Ost und West
Der Roman Tränenpalast ist der abschließende Band der Dilogie Berlin Friedrichstraße von Autorin Ulrike Schweikert. Beide Bücher erscheinen bei Rowohlt Polaris.
In Berlin wachsen die Freunde Robert, Johannes, Ilse und Ella auf, bis der Krieg sie trennt. Und auch nach dem Frieden bleiben tiefe Wunden zurück, der Bahnhof Friedrichstraße wurde teilweise zerstört. Nur Johannes’ Kiosk blieb als Treffpunkt der Freunde, die fast zu einer Familie geworden sind. In den Nachkriegsjahren bekommt Lilli, die Tochter von Robert, Zwillinge, ihr Freund Michael verschwindet und sie muss die Kinder allein durchbringen.
Ulrike Schweikert hat das Zeitgeschehen im zweigeteilten Berlin genau recherchiert und es sehr bildhaft und mit realistisch wirkender Dramatik geschildert. Mir stockte oft der Atem als ich die dramatischen Vorgänge gelesen habe. Der Roman startet 1945 mit Fliegeralarm und Bombenangriffen auf Berlin. Alles liegt in Schutt und Asche. Dann folgt der Einmarsch der Russen und mit ihnen ihre widerwärtigen und gewalttätigen Übergriffe auf Frauen und junge Mädchen. Welches Leid da über die Frauen kam, ist kaum vorstellbar. Ein Kriegsverbrechen, dass noch heute nicht als solches gilt. Ich habe mit Lilli und Ella gehofft, dass sie die harte Zeit nach dem Krieg gut überstehen. Sie mussten nicht nur die sexuelle Gewalt erleiden, sie mussten auch bei Hunger und im Kältewinter ihre Kinder schützen und versorgen, um zu überleben.
Als endlich wieder Frieden herrschte, hieß das auch etliche Kriegsheimkehrer mit ihren seelischen Wunden aufnehmen und die Trümmer wieder aufzubauen. Viele dieser Lasten wurden einzig und allein von Frauen bewältigt. Der Begriff Trümmerfrauen kommt nicht von ungefähr. Während sich die Lage im Westteil Berlins durch den Aufbau der Westallierten langsam verbessert, bleibt der Osten unter russischer Führung weiterhin zurück. Die Gründung der DDR sorgte mit seinem Regime für Unterdrückung der Meinungsäußerung und die
Nachdem Lillis Freund Michael spurlos verschwunden ist, opfert sie sich für ihre vaterlosen Zwillinge Anne und Cornelia auf, den einzigen Halt findet sie bei Michaels Mutter Ella. Und es ist ein Lichtblick, als dann ihr Vater Robert und Johannes aus dem Krieg zurückkehren, allerdings im Ostsektor. Viele Szenen spielen sich in Johannes Kiosk ab, er wird zum familiären Zufluchtsort. Und im geteilten Berlin bekommt der benachbarte Bahnhof Friedrichstraße eine ganz besondere Bedeutung, hier trennt sich nun die deutsche Bevölkerung in Ost und West und es kommt zu dramatischen Szenen der Trennung, die auch in Lillis Familie für Probleme sorgt.
Man kann bei diesen Schilderungen oft nur schlucken und hoffen, dass sich solche Szenen nicht wieder auf deutschem Boden abspielen. Ulrike Schweikerts flüssiger und einnehmender Schreibstil hält uns die harten Prüfungen des Lebens von Lilli, Ilse und Ella in dieser Zeit bildhaft genau vor Augen. Ich war oft betroffen, was sich im Osten abspielte, wo doch das Ende des Krieges eigentlich ein neuer Anfang sein sollte. Die Schilderungen zeigen sehr anschaulich die politische Entwicklung, die Unterschiede zwischen Ost und West und die bedrückende Situation der Menschen in der DDR.
Ein sehr bewegender, zeitbeschreibender Abschluß der Reihe, der die Dramatik einer deutsch-deutschen Teilung und die Vorgänge in Berlin Ost deutlich macht und damit tief unter die Haut geht.
***Herzlichen Dank an den Rowohlt Verlag für dieses Rezensionsexemplar!***
Weitere Romane der Autorin:
- Schweikert, Ulrike - Die Tochter des Salzsieders
- Schweikert, Ulrike - Das Kreidekreuz 2
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