Montag, 1. August 2022

Die karierten Mädchen - Alexa Hennig von Lange

Statt wahrer Geschichte nur eine geschönte Fiktion!
 
Im Dumont Verlag erscheint mit dem Roman "Die karierten Mädchen" von Alexa Hennig von Lange der erste Band einer Trilogie. 

Klara ist blind, bereits über neunzig, lebt allein und beginnt ihr Leben Revue passieren zu lassen. Sie erinnert sich an ein Geheimnis, dass sie vor ihrer Familie verborgen hat. Auf Kassetten nimmt sie diese Erinnerungen auf, sie beginnt 1929, als sie mit einundzwanzig Jahren Lehrerin in einem Erholungsheim für kranke Kinder wird. Dort wird die einjährige Tolla abgegeben, zu der sich Klara hingezogen fühlt. Als Klara das Heim bereits leitet, gibt es wirtschaftliche Schwierigkeiten und sie hofft auf Unterstützung durch die nationalsozialistischen Funktionäre. Damit soll das Heim unter der Hakenkreuzflagge eine Ausbildungsstätte für junge Frauen werden und damit erledigt sich das Vorhaben, dort eigenständige Menschen zu erziehen. Die Besuche der Nazi-Funktionäre gefährden auch Tolla, die jüdischer Herkunft ist und inzwischen von Klara als Kind angenommen wurde. 
 


"Die karierten Mädchen" hat Alexa Hennig von Lange an die Geschichte ihrer eigenen Großmutter angelehnt, von ihr existieren Kassetten über ihre Zeit als Lehrerin.
 
In zwei Zeitebenen erfahren wir die Geschehnisse damals im Kinderheim und später als Klara eine alte Frau ist. Der Schreibstil der Autorin hat mich sofort in diese Vergangenheit versetzt und mit der politischen Brisanz der Zeit gepackt. Allerdings entwickelt sich die anfänglich noch sympathisch erscheinende Protagonistin Klara doch nicht in dem Maße, wie ich es erwartet hätte. Sie interessiert sich angeblich nicht für Politik, merkt aber schon, was das Erstarken der Nazis bewirkt. Sie schützt ein jüdisches Mädchen und ich hoffte darauf, dass sie mehr bewirken konnte. Doch im Grunde wurde Klara zu einer Mitläuferin, die im Nachhinein zwar die Erlebnisse festhält, aber wirkliche Gewissensbisse konnte ich nicht entdecken. Es gab keine Reflektion des Geschehenen, kein Wort von Klara über eigene Fehler oder mögliche andere Handlungsweisen, die damals für viele Menschen der rettende Anker gewesen wären. 
Klara erscheint mir kühl und sehr distanziert, fast gefühlslos, sie kommt mir nicht nahe und ich habe keine enge Verbindung zu ihr aufbauen können. Sie wirkt oberflächlich, diszipliniert und in ihrer Art sehr widersprüchlich, denn obwohl sie ihre Schülerinnen zu eigenständig denkenden und selbstbewußten Frauen erziehen möchte, will sie selbst von Politik nichts wissen. Und sie ignoriert die Gefahr einer nationalsozialistischen Verwaltung des Heims. Das passt nicht so recht zusammen und macht sie für mich uninteressant und die Liebesgeschichte passte für mich auch nicht so recht ins Bild. 
 
Der eindringliche Schreibstil ist für mich der positive Part des Buches, es war sehr sehr gut zu lesen und wenn der fiktive Teil die Großmutter nicht ganz so schönend ins positive Licht gestellt hätte, wäre ich sicher überzeugter von der Geschichte gewesen. Da die Autorin aber Tolla nur hinzugedichtet hat, hatte ich den Eindruck, hier sollte ein Akt der Nächstenliebe die wahre Klara überdecken. Das hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
  
Diese Geschichte hat mich gefesselt und auch der Erzählstil ist mitreißend. Jedoch verlief die Geschichte ohne spürbaren Gewissenkonflikt Klaras, den sie im Alter doch hätte verspüren sollen. Und das hinzugedichtete jüdische Mädchen Tolla vermittelte ein geschöntes Bild der Großmutter, das es nie gegeben hat. Die ganze Story verliert damit für mich an Glaubhaftigkeit und es bleibt ein fader Beigeschmack.
 
Eine Geschichte, die persönliche Wahrheit verspricht, bei der sich aber bei näherer Betrachtung doch  der fade Beigeschmack der Entlastung der Großmutter als Mitläuferin am Ende durchgesetzt hat. Immerhin noch drei Sterne, weil die Zeitgeschichte gut dargestellt wird.  


***Herzlichen Dank an Vorablesen, diesen Roman habe ich mir über Prämienpunkte ertauscht!***
 


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