Ein interessantes Debüt mit schönen Sprachbildern, die Handlung ist etwas unausgegoren.
Anne Reineckes Debüt "Leinsee" ist ein Gegenwartsroman, er erscheint 2018 im Diogenes Verlag.
Karl Stiegenhauer ist der Sohn des glamourhaften deutschen Künstlerpaares August und Ada aus Leinsee. In dieser Welt gab es keinen Platz für ein Kind, Karl kam schon früh in ein Internat, dieses Abschieben hat ihn so geprägt, sodaß er nun mit fast 30 Jahren kaum noch Kontakt zu seinen Eltern pflegt. Seine Mutter ist schwer erkrankt, sein Vater schied bewusst aus dem Leben und Karl, inzwischen selbst Künstler, muss sich dieser Situation stellen. Er bekommt von der kleinen Tanja Hilfe.
"Leinsee" ist ein sprachlich bemerkenswertes Debüt, bei dem mir die Sprache sehr gefallen hat, nur die Handlung konnte auf dem Niveau nicht ganz mithalten. Sie liest sich manchmal etwas zwischen den Zeilen.
Was sofort angenehm auffällt sind die wunderschönen Kapitelüberschriften wie " Van-Gogh-gelb", "Rosageblümt", "Klirrsilbern" oder "Regentageblau". Diese und andere Wortschöpfungen sind der Autorin gut gelungen und zeugen vom künstlerischen Ambiente.
Anne Reinecke zeigt eine Künstlerfamilie, bei der der Sohn nicht ins Konzept passte und früh auf ein Internat kam. Die Folge war, dass Karl sich ungeliebt fühlte, was man gut nachvollziehen kann. Deshalb verwundert es auch nicht, dass er den Kontakt zu seinen Eltern nicht mehr pflegt und seine eigene Künstlerlaufbahn unter anderem Namen bestreitet.
Dennoch kehrt er nach Leinsee zurück, als sein Vater stirbt und seine Mutter im Krankenhaus mit dem Leben kämpft.
Karl lernt die achtjährige Tanja kennen und ist von ihr beeindruckt und angezogen. Worin genau diese Faszination begründet ist, lässt die Autorin unausgesprochen. 10 Jahre später haben beide eine Beziehung.
Dieser Roman ist sprachlich großartig, ein wenig melancholisch in der Grundstimmung, aber von den Figuren her nicht klar genug umrissen. Sehr vage Andeutungen in Bezug auf Karl und Tanja lassen dem Leser viel Spielraum im eigenen Ermessen. Mir hat Karls Schicksal leid getan, doch sein Verhalten hat ihn mir nicht sympathisch gemacht. Seine Freundschaft zu Mara wirkt unterkühlt und ist keine echte Liebesbeziehung. Und warum gerade ein kindlich unbekümmertes Wesen (Tanja) ihn dann aus seinem Stimmungstief holt, ist nur zu erahnen. Vielleicht trauert er einer eigenen glücklichen Kindheit nach, auf jedem Fall gibt ihm Tanja Lebensmut zurück. Es gibt eine eindeutige Annäherung an das Märchenland von Alice im Wunderland, vielleicht ist Tanja diese Alice in Leinsee.
Insgesamt fehlt mir ein durchgängiger Spannungsbogen, die Geschichte plätschert mit einigen Wendungen ziemlich vor sich hin. Was anfangs noch interessant begann, verliert sich im weiteren Verlauf des Buches. Es endet als simple Liebesgeschichte und dadurch wurden hier inhaltlich interessante Ansätze verschenkt.
Dieses Debüt ist sprachlich wunderbar, inhaltlich und von den Figuren her konnte dieses Niveau nicht ganz gehalten werden.
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