Samstag, 26. Januar 2019

Trümmerkind - Mechthild Borrmann

Ein authentischer Blick macht das Grauen dieser Zeit erkennbar


Der Roman "Trümmerkind" von Mechthild Borrmann erschien 2017 im Droemer Verlag.

Hamburg, 1946/47. Nach dem 2. Weltkrieg ist Hamburg zerstört, Tausende Menschen kämpfen einen täglichen Überlebenskampf. Als der 14jährige Hanno neben einer nackten Frauenleiche einen kleinen Jungen findet, nimmt er ihn mit. Seine Mutter Agnes nimmt ihn wie ein eigenes Kind auf und sie nennen ihn Joost.

"Das war eine andere Zeit,..., da denkt man nicht über Tage und Wochen hinaus, sondern nur daran, ob es am Abend etwas zu essen gibt und ob im Ofen ein Feuer brennt. Da muss man die Dinge vergessen, sonst ist man verloren." Zitat Seite 223




Als historischen Schauplatz hat Mechthild Borrmann Hamburg im Jahrhundertwinter 1946/47 gewählt. Es ist die Zeit des Mangels, des Schwarzhandels und des Steineklopfens, die Zeit der Trümmerfrauen und -kinder. Dort trieb ein sogenannter Trümmermörder sein Unwesen.
Borrmann nimmt diesen authentischen Fall auf und konstruiert daraus einen fiktiven Roman. 
Besonders bedrückend schildert sie die missliche Lage der Menschen in der Nachkriegszeit. Viele Menschen wurden von ihren Gütern vertrieben, landeten als Flüchtlinge bei anderen Familien, wurden dort aufgenommen oder auch nur geduldet. Die Zeiten waren hart, Lebensmittel und Kleidung knapp, die Städte zerbombt, die Väter im Krieg vermisst oder verstorben. 

Die Handlung ist in drei Erzählstränge unterteilt, zwei ordnen sich direkt nach dem 2. Weltkrieg an, ein weiterer zeigt die 90er Jahre.
In Hamburg bringt Agnes 1947 ihre beiden Kinder und Findelkind Joost im zerbombten Hamburg mit Näharbeiten durch die schwere Zeit. Joost ist traumatisiert, doch allmählich gesundet seine Seele und er hält Agnes für seine eigene Mutter.
In der Uckermark rücken im April 1945 die russischen Besatzer immer näher und die Familie von Clara Anquist, die auf ihrem Gut lange Zeit Flüchtlinge beherbergt hat, muss fliehen. 

In den 90er Jahren macht sich die Lehrerin Anna auf die Suche nach ihren Vorfahren, die einstmals ein Gut in der Uckermark besassen, ihre Mutter ist eine geborene Anquist. Dabei entdeckt sie ein lange gehütetes Familiengeheimnis.

Diese drei Handlungsebenen verknüpfen sich allmählich zu einer zusammenhängenden Geschichte, bei der mir die realistischen Schilderungen der Wirren der Nachkriegszeit sehr zugesetzt haben. Mechthild Borrmann macht hier das Zeitgeschehen so glaubhaft sichtbar und lässt den Leser einen ungetrübten Blick auf die schwierigen Zustände der Zeit werfen. Absolut realistisch zeigt sie Flucht, Vertreibung, Schwarzmarkt und die Rückkehr von Vermissten in ihrer Geschichte und lässt ihre Leser die Schicksale und ihre existentiellen Nöte betroffen miterleben. 
Dagegen wirkt der Gegenwartsteil merkwürdig unausgeschmückt und blaß. Es mag sein, dass die Autorin damit die Diskrepanz zwischen den verschiedenen Lebensumständen darstellen wollte, mit Anna und ihrem Mann konnte ich allerdings keine Nähe aufbauen. 

Der Schreibstil ist klar und sehr flüssig, absolut lebendig und bildhaft und es gelingt der Autorin immer wieder die Stimmungen der Figuren authentisch abzubilden und die Szenen wie ein Kopfkino beim Leser ablaufen zu lassen. 


"Trümmerkind" verknüpft menschliches Leid der Nachkriegsjahre mit der Einforderung von Besitzansprüchen aus der Neuzeit. Dabei wirkt der Roman wie ein Mix aus Historie, Unterhaltung und Krimi.


***Herzlichen Dank an den Droemer Verlag für die Übersendung dieses Rezensionsexemplars!***



10 Kommentare:

  1. So wie bei dir auch, habe ich bis jetzt nur gute Dinge über das Buch gelesen. Mal schauen ob es das Buch bis zu mir schafft.

    Wünsche dir ein schönes Wochenende, liebe Grüße <3

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    1. Liebe T.,

      Grenzgänger hat mir persönlich noch etwas besser gefallen.

      Auch für dich einen schönen Sonntag!
      Liebe Grüße
      Barbara

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  2. Hallo liebe Barbara,
    von diesem Buch habe ich schon ganz viel gutes gehört und gelesen. Ist ja eigentlich nicht ganz mein Genre, aber vielleicht was für meine Mama.
    Ich werde ihr mal diesen Tipp weitergeben.
    Herzliche Grüße
    Andrea ♥

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    1. Liebe Andrea,

      ich denke mal, deiner Mutter wird es sicher gut gefallen.

      Noch einen schönen Abend,
      lg Barbara

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  3. Hallo Barbara

    Vor einiger Zeit habe ich das Buch auch gelesen. Mich konnte es zu 100% überzeugen.

    Hab einen schönen Abend und liebe Grüße,
    Gisela

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    1. Liebe Gisela,

      kennst du von Mechthild Borrmann den Roman "Grenzgänger"? Davon war ich 100% überzeugt, hier fehlte mir etwas die menschliche Nähe.
      Ansonsten ist es ja auch meiner Meinung nach ein lesenswertes Buch.

      LG Barbara

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  4. Liebe Barbara,
    das ist sicher ein spannendes Buch.Da muss ich an die alten Geschichten von meinen Großeltern und auch meinen Eltern denken, denn sie haben diese Zeiten auch miterlebt ...
    Danke für die schöne Vorstellung!
    Ich wünsche Dir eine schöne und freundliche neue Woche!
    ♥ Allerliebste Grüße, Claudia ♥

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  5. Liebe Claudia,

    ich denke auch, dass die Nachkriegs-Geschichte hier einen besonderen Stellenwert erhält. Immerhin gibt es nicht mehr viele Menschen, die davon noch erzählen können.

    Liebe Grüße
    Barbara

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  6. Liebe Barbara,
    ich habe das Büch letztes Jahr gehört und es konnte mich sehr begeistern. Leider gibt es (noch) keine Rezi auf meinem Blog. Ich hatte keine Zeit gehabt. Möchte es aber noch nachholen. Diese Geschichte verdient es allemal. Der leichte Erzählstil dieser schrecklichen Zeit konnte mich sehr fesseln.
    GlG, monerl

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    1. Liebes Monerl,

      mir hat das Buch auch gefallen, aber Grenzgänger konnte mich noch mehr überzeugen. Das ist ein echtes Hammer-Buch.

      Liebe Grüße
      Barbara

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