Sonntag, 15. März 2020

Ein halbes Herz - Sofia Lundberg

Eine gefühlvoll erzählte, dramatische Geschichte um Schuldgefühle 


Die Vergangenheit holt uns immer ein

Im Goldmann Verlag erscheint der Roman "Ein halbes Herz" von Sofia Lundberg. 

Die Schwedin Elin Boals ist verheiratet, Mitte Vierzig, Mutter einer Tochter und erfolgreiche Portraitfotografin in New York. Sie lebt hinter ihrer Kamera wie in einem abgeschirmten Bereich, fernab von anderen Menschen, die sie nicht an sich herankommen lässt. In ihrer Arbeit geht sie auf, vernachlässigt sogar Ehemann Sam und ihre Tochter. Als sie eine Nachricht aus ihrer Heimat Gotland erhält, brechen lange verborgene Erinnerungen hervor und Elin wird klar, sie muss sich ihrer Vergangenheit stellen.



Auf Sofia Lundbergs neuen Roman habe ich schon hingefiebert. In diesem Buch stellt sie uns Elin Boals vor, deren Leben im ständigen Wechsel durch zwei Zeitperspektiven immer näher beleuchtet wird. Die Gegenwart im Jahr 2017 zeigt Elin als gefragte Fotografin in New York und die Vergangenheit dreht sich um Elins Kindheit in den Jahren 1979 und 1982.

Sehr berührend empfand ich die Schilderung ihrer Kindheit mit der manisch depressiven Mutter und einem Vater im Gefängnis. Ständig war sie mit den beiden Brüdern den Wutausbrüchen der Mutter ausgesetzt, nie konnte sie es ihr recht machen, es gab nicht genug zu essen und im Grunde war Elin mehr um die Brüder besorgt als ihre Mutter. Elin fehlte ihr Vater, die Mutter hatte einen neuen Liebhaber und die belastenden Probleme waren für ein Kind wie Elin einfach zuviel. Diese Kindheitserfahrungen machen Elin noch als Erwachsene zu schaffen, außerdem gab es ein schreckliches Erlebnis mit dauerhaften Schuldgefühlen, die nie austherapiert wurden. Elin muss sich ihrer Vergangenheit stellen.

Die Zeitschiene aus der Kindheit hat mich komplett mitgerissen, ich habe viele Emotionen gefühlt und war in dieser bewegenden Schilderung regelrecht gefangen. Das Schicksal der Kinder und Elins Kampfgeist hat mich ergriffen und ich freute mich über jede noch so kleine liebevolle Geste ihnen gegenüber.
Dagegen war mir die erwachsene Elin regelrecht fremd, sie vergräbt sich in ihre Arbeit, übergeht ihren Mann. Merkwürdig unausgereift, leer und gefühlslos wirkte sie auf mich, von Selbstvorwürfen zerfressen, so konnte sie mich leider nicht so packen. Sicherlich sollte Elin so unnahbar wirken, für den Lesesog war aber hauptsächlich die Vergangenheit für mich relevant. 

Der Roman hat eine melancholische Grundstimmung, die durch die bestehenden Probleme entsteht und auch nicht durch schöne bildhaft beschriebene Landschaften und Stimmungen weichen kann.  
Elins Geheimnis liegt über der Geschichte wie ein dunkler Schatten, diese lange verdrängte Schuld, kann nur durch eine Reise in ihre Heimat aufgearbeitet werden. 

Sofia Lundberg hat mich mit ihrem wunderschönem Sprachstil und ihren besonderen Figuren erneut begeistert. Auch wenn mich manches Verhalten der Charaktere gestört hat, war es mir ein besonderes Vergnügen, die Figuren durch die Handlung zu begleiten. Das Denken und Handeln von Menschen ist nicht immer geradlinig, logisch und klar, man muss auch ihr Anderssein akzeptieren.
 

"Ein halbes Herz" ist eine dramatische Geschichte mit einem klaren Erzählvorteil in der Vergangenheit. Es lässt schlimme Schuldgefühle ans Tageslicht kommen. Nur wenn man sich seinen Problemen stellt, kann man ein zerbrochenes, halbes Herz heilen.  



***Herzlichen Dank an den Goldmann Verlag und das Bloggerportal für dieses Rezensionsexemplar!***



 

4 Kommentare:

  1. Liebe Barbara,
    hier ist sie ja die Rezension zu "Rin halbes Herz". Ich werde es erst beginnen, aber sehr bald und ich bin schon sehr neugierig auf die Geschichte.
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Liebe Martina,

      ja, lange habe ich auf dieses Buch gewartet und als es dann endlich da war, habe ich es am Stück gelesen. Das spricht doch für den Roman.
      Ich wünsche dir viel Spaß damit.

      lg Barbara

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  2. Hallo Barbara,
    ich habe genauso empfunden wie du es beschreibst. Mir war die heutige Elin irgendwie auch fremd, bis ich dann doch einiges verstanden habe durch die Vergangenheit. Aber es hat meinen Lesefluss gestört. Nun da ich nicht mehr ins Altenheim zwecks Besuche rein darf, werde ich die gewonnene Zeit nutzen und mich mal meinen offenen Rezis widmen ☺
    Liebe Grüße Hanne

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    1. Hallo Hanne,

      es wurde mir Elins Verhalten immer bewusster, je länger ich in ihre Vergangenheit eintauchte, trotzdem erschien mir manches nicht ganz nachvollziehbar.

      Oh ja, dann nutze die Zeit. Ich telefoniere viel mit einigen Menschen, die mir am Herzen liegen und die ich lieber nicht besuche.

      Liebe Grüße
      Barbara

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